Gemälde, Fresken und Ikonen
Das Schönste auf der ganzen Welt:
ein Angesicht, vom Geist erhellt,
auf welchem Seelenreinheit wohnt,
auf welchem Himmelsfrieden thront.
Es ist lediglich ein unauffälliges Haarbüschel auf der Stirn Jesu Christi, das sich wie ein roter Faden durch die Kunstgeschichte zieht und auf das Sudarium Christi von Manoppello als Vorlage verweist. Die unscharfen Konturen auf dem Grabtuch von Turin allein wären für eine solch präzise Wiedergabe nicht geeignet gewesen.
Trotz Bilderverbot im Alten Testament und byzantinischem Bilderstreit überwog das Bedürfnis der Christen sich ein Abbild zu schaffen. Andreas Resch entlarvte 2005 in seinem Buch „Das Antlitz Christi“ Werke wie der „Gute Hirte“ (Priscilla-Katakombe) als verborgene Christusbilder. Er wendete das Prinzip der Sopraposition, dass von Schwester Blandina entwickelt wurde, um die Deckungsgleichheit verschiedener Grabtücher zu beweisen, auf frühchristliche Darstellungen in den Katakomben Roms und auf Ikonen an.
Bis ins 17. Jahrhundert wiesen zahlreiche Kunstwerke die Merkmale des Sudariums auf, ähnelten ihm auf frappierende Weise, wie das Vera Icon auf dem Schweißtuch des Meisters von Flémalle (wahrscheinlich 1375 - 1444). Bei dieser Art von Nachbildungen, die sich eng am Original orientieren, werden lediglich Gesicht und Haupthaar – mit oder ohne Tuch – wiedergegeben.
Als Urikone diente das Sudarium sowohl im Osten (Byzanz) als auch im Westen der Entwicklung eines göttlichen Schönheitsideals unter geometrischen Gesichtspunkten. Das gilt nicht nur für Kopien und Vorlagen für Ikonen, sondern auch für freie Nachschöpfungen. Viele Darstellungen sind von der Epoche ihrer Entstehung geprägt, entsprechende Grundsätze, wie z.B. der Portraitmalerei, wurden umgesetzt. Mitunter greift man auf einen älteren Malstil zurück, um das Bildnis authentischer wirken zu lassen. Auch spiegelt der Gesichtsausdruck wider, welche Rolle Jesus Christus zuerkannt wird.
Oft wird die Abbildung des Sudariums in eine bildliche Erzählung eingebunden. Die Herkunft der Reliquie wird z.B. durch die Einführung von Trägerfiguren auf unterschiedliche Art und Weise erklärt. Präsentiert die Veronika das Tuchbild zur Verehrung, werden Darstellung von Reliquie und Legende auf einem Bild vereint. Halten Engel das Christusbild, wird der himmlische Ursprung unterstrichen. Auch die Tatsache, dass der Faltenwurf auf dem Antlitz Jesu Christi nicht fortgesetzt wird, es also gleichsam vor dem Gewebe schwebt, verweist auf eine übernatürliche Entstehung.